Mord in der Bibliothek

 

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Morð in der Bibliothek (2009)

Eine Kunstinstallation in der Universitätsbibliothek Kiel (s. Video)

 

Der Weg in den Keller der Universitätsbibliothek führt derzeit über Leichen. Mit gelbem Klebeband hat Vladimir Sitnikov die Konturen am Boden liegender Gestalten nachgezeichnet und verwandelt so den Raum in einen fiktiven Tatort. Mord in der Bibliothek nennt der aus Moskau stammende Künstler, der seit 1995 in Kiel lebt, seine Ausstellung, in der er das Krimi-Genre auf vielfältige Weise ins Visier nimmt.


Aus Holz ausgesägt und schokoladenbraun bemalt, zieren Schusswaffen aller Art, unvermeidliche Requisiten jeder Mord- und Totschlagsgeschichte, die Fensterfront an der Stirnseite des Kellers. Die passenden Bilder dazu finden sich an den betongrauen Wänden - kreuz und quer „dramatisch“ gehängt: 102 typische Krimi-Szenen hat der 50-Jährige wie Comics mit flüchtig-prägnantem Filzstift-Strich auf kleinformatige Sperrholzplatten gezeichnet. Archetypische Figuren und Schauplätze des Genres sind hier versammelt: der Mann im Trenchcoat genauso wie das hübsche weibliche Opfer, das düstere Haus im blutroten Mondschein wie der Blick in vergitterte Räume. Textfragmente erläutern die Illustrationen nur scheinbar.

„Es reicht, wenn sie beim Betrachter Assoziationen anstoßen, die sich zu kleinen Geschichten zusammenfügen“, sagt Sitnikov, der eigentlich gar keine Krimis mag. Dass er dem Thema dennoch etwas abgewinnen kann, hat einen ganz andern Grund. „Das Publikum betrachtet Kunst gern als Erholungsfeld, mit dem man die Wände dekorieren kann. Die Künstler sehen das ganz anders. Im Unterschied zur Salonkunst hat die Kunst der Avantgarde eine gewisse Aggressivität. Die Künstler wollen mit ihren Arbeiten provozieren, um das Publikum zur Auseinandersetzung mit ihrer Kunst anzuregen.“

Zur Finissage am 18. März bietet Sitnikov in diesem Zusammenhang deshalb eine handfeste Kunstaktion an: Mit Spielzeugpistolen wird er auf seine Bilder schießen und das Publikum zu einer „kämpferischen Auseinandersetzung“ mit seiner Kunst einladen. „Schon viele Künstler vor mir haben auf ihre Werke geschossen. Denn das Schießen ist eine Art der Therapie und Befreiung, in der Ängste abgebaut werden können.“ Berührungsängste mit der Avantgarde-Kunst inklusive... (Sabine Tholund, Kieler Nachrichten, 7.3.2009)